Text: Was ein Bildhauer macht

Frieda fragt, was ein Bildhauer macht
denn: der Begriff an sich, der ließe ja Spielraum.
Frieda ist jetzt zwei und weiß,
wer haut, wer kratzt und beißt
muss im Morgenkreis um Verzeihung bitten.
Ob es Morgenkreise gibt, da wo Bildhauer sich treffen,
will Frieda wissen, und hat Mitleid.

Frieda holt ein Lexikon, erkennt den Irrtum,
wird schlauer und fasst zusammen:

Ein Bildhauer haut.
(Zugegeben, das ist wenig überraschend
so wenig wie der Fakt, dass man Kaugummi kaut.)
Ein Bildhauer haut.
Da ist ein Stamm und ein Hammer und
ein Stechbeitel sticht ins Holz

Stamm
Hammer
Stechbeitel
Zack
Kunst

Frieda sagt:
Das muss ein befriedigender Beruf sein:
Morgens ist da etwas Gewöhnliches
und abends schon – etwas Schönes

Frieda denkt sich ein Kettensägensolo.

Ein Bildhauer haut.
Feuert und gießt, flext und fräst
denkt nach zwischendurch und schaut.
Ein Bildhauer schaut
in sich rein
um sich rum

Wand.
Säge,
Feuer
Zack
Kunst

Das Lexikon legt Frieda
auf den Bildband auf dem Nachttisch
„Straßenkunst aus aller Welt“
gähnt und erwähnt,
so beiläufig es kletternd
über das Gitter
hinein ins Kinderbett
möglich ist:
Michelangelo…
Michelangelo…

Der David, murmelt Frieda,
ist schon im Marmor gewesen
Der Meister sagt, er habe nur entfernt
was überflüssig war.
So geht Understatement.

Ich sage, so steht es bei Google.
Das muss nichts heißen, doch
Frieda winkt ab und schläft ein.

In einem mutigen Traum
schlägt sie Bildhauer in die Flucht.
Was Frieda gemalt hat,
vor dem Mittagsschlaf,
bleibt unversehrt