Am schlimmsten ist es bei Themen, die ich schon lange im Blick habe, da wurstelt sich dann im Kopf so eine Idee zusammen, die viel zu groß ist, als dass sie in 30 Minuten passen könnte. Zu wenig konkret? Na gut:
In der Sendung sollte es um Inklusion und Barrierefreiheit gehen, und darum, dass wir auf dem Weg dahin mehr stolpern, verharren, Irrwege gehen, als dass wir wirklich vorankommen. Mich beschäftigt das seit fast 20 Jahren – solange kenne ich das System der so genannten Behindertenhilfe und jeder, der es kennt, weiß: so wie es ist, ist es nicht gut. Das Problem: es ist auf so vielen Ebenen nicht gut.
Journalistisch gesehen steckt die Berichterstattung ohnehin in einem Dilemma: wer Leute in Gruppen einteilt, wird ihnen nicht gerecht. Wenn also in der Überschrift „Menschen mit Behinderung“ auftauchen, kann das nur gegen den Baum gehen, denn das ist ja eine Kategorisierung, die viel zu unscharf ist. Blinde Menschen machen andere Erfahrungen, als Menschen mit einer Lernbehinderung, jemand, der querschnittsgelähmt ist, hat einen anderen Blick auf die Welt, als jemand, der nicht hören kann. Jemand, der aufgewachsen ist in wohlhabenden Verhältnissen und ein Netz an Unterstützung um sich weiß, lebt sehr anders, als jemand, dessen Eltern finanziell und menschlich überfordert waren damit, ein behindertes Kind auf seinen Lebensweg zu schicken. Ich könnte endlos weiter machen, aber ich denke, es ist klar, was ich meine.
Voraussetzung bei der Planung der Sendung also war, nicht die Perspektive nichtbehinderter Journalisten in den Mittelpunkt zu stellen. Hieß ganz praktisch: wir haben uns einen Studiogast eingeladen, Bettina Schmidt, Unternehmerin aus Schwerin, sie hat ein Unternehmen geführt mit 170 Mitarbeitern, ist dann erblindet und führt jetzt ein Unternehmen mit vier Mitarbeitern. Dazu habe ich im Vorfeld gesprochen mit Anne Gersdorff vom Verein Sozialhelden in Berlin – von den Sozialhelden war hier im Blog schon die Rede. Als Ergänzung haben ein Kollege und ich versucht so zu recherchieren, dass wir in der Sendung in aller Kürze die verschiedenen Barrieren aufzeigen können, die die nichtbehinderte Mehrheitsgesellschaft produziert, die Hürden also, die dazu führen, dass „Barrierefreiheit“ zwar gern gedacht, aber selten umgesetzt wird.
Und jetzt sind wir endlich beim Thema: ich habe zuviel gewollt. Das hat sich bei der Aufzeichnung herausgestellt. Bettina Schmidt, unser Gast, hat uns nämlich so sehr eingenommen mit ihrer Geschichte, mit ihrem persönlichen Blick, dass noch während die Aufnahme lief, mir immer klarer wurde: so wie wir das gedacht haben, funktioniert es nicht. Wenn wir in der Dynamik des Gesprächs versuchen, die Themen zu behandeln, brauchen wir mindestens vier Stunden, um anzusprechen, was wir anzusprechen uns vorgenommen hatten. Am Ende hatten wir aufgezeichnet ein sehr gutes Gespräch, aber alles andere schien offen.
Ja, das ist ein echter Anfängerfehler, aber das zu erkennen, macht es ja erstmal nicht besser. Die Lösung zu finden brauchte dann eine durchgrübelte Nacht. Sie lag am Ende unspektakulär nahe – im Rückgriff auf traditionelle Radiotechniken: Schnitt und Montage. Vom Gespräch im Studio haben wir den Großteil erhalten, dazwischen haben dann mein Reporterkollege und ich neue Passagen gesetzt, in denen wir stark verkürzt, andere Aspekte, die uns wichtig waren, besprechen konnten.
Ob das nun gelungen ist? Naja, das würde ich gern der Beurteilung anderer überlassen. Ich hoffe noch auf Rückmeldungen, auf die Reflektionen der Hörerin, des Hörers.
Die Sendung jedenfalls ist veröffentlicht – zu hören hier auf der Seite in der Rubrik „Podcast“ oder, wenn Sie „Dorf Stadt Kreis“ abonnieren möchten, in der ARD Audiothek und fast überall sonst, wo es Podcasts gibt.