Morgen gehts los. Morgen hole ich aus der Schublade all die Pläne, die da liegen und weil sie da liegen die Welt keinen Deut besser machen. Man müsste mal… etwas Neues wagen, ein Risiko eingehen, mit anderen etwas ausprobieren, fürs eigene Glück, für das Glück der anderen. Und man müsste mal den Leuten Aufmerksamkeit schenken, die aus dem „Man müsste mal…“ ein „Und dann haben wir…“ gemacht haben. Ein Podcast wäre gut und den könnte man ja „Man müsste mal…“ nennen. Haben sich ein Radioreporter und ein Publizist gedacht, Andreas Lußky und Claus Oellerking heißen die beiden, und sie haben genau das getan.
Das Setting: Ein Gast erzählt seinen „Man müsste mal…“-Moment, die Gastgeber sagen Guten Tag und machen die Tür auf. Und von diesem Moment an ist Platz und jeder, der von den beiden vor das Mikrofon gebeten wird, hat die Chance den Raum mit seinen Geschichten zu füllen. Will sagen: zwei zurückhaltende Menschen stellen Fragen – neugierig und uneitel – und das ist es auch schon. Wer aufmerksam zuhört spürt, ob die Chemie stimmt in der Runde und wenn sie stimmt, ist das sehr schön. Die Folgen sind rund 40 Minuten lang und erscheinen alle zwei Wochen – werden allerdings zum Teil lange vorproduziert.
Ich habe gehört und gelernt: warum sich jemand fürs Ehrenamt Stadtpolitik entscheidet und warum für ein auffälliges, aber der Bauweise wegen nahezu unbrauchbares Haus am Schweriner Marktplatz. Und ich konnte gleichzeitig einem mir sehr vertrauten Schauspieler zuhören. Wiederum mir sehr nahe, weil Kollegin, Freundin und persönliche Heldin in vielem: die Vertreterin des Kunstwasserwerks in Schwerin – bei ihr ging es um Kunst mit Verein, um Poetry Slam mit mir und die Zusammenarbeit von Künstlern mit und ohne Behinderung. Ich weiß jetzt, wo ich mein Vermögen anlegen könnte, wenn ich denn eins hätte und zwar nicht nur so, sondern ethisch vertretbar, weil von meinem Geld Genossenschaften, Handwerker und Bauern in so genannten Entwicklungsländern Kleinkredite bekommen können. Und über die Arbeit an der Freien Schule in Güstrow habe ich auch einiges erfahren und darüber, wie Pädagogik und die Haltung zur Welt einander bedingen. Hab ich was vergessen? Ja! Den Ingenieur, der Roboter aus Werkstoffen fertigen will, die in ihrer Ökobilanz gut abschneiden – Nachhaltigkeit im Maschinenbau quasi… hab ich auch noch nie drüber nachgedacht. Und: Food-Sharing – Essen retten also. Danke, „Man müsste mal“.
Es wird klar, der Blick der Macher ist außerordentlich weit und die beiden sind so verschieden, wie es nur geht. Andreas Lußky sitzt im NDR-Büro neben mir – er ist also Reporter, freier Mitarbeiter, vor allem für NDR1 Radio MV und das Nordmagazin, Reporter mit Hang zu Themen, die sich so oder ähnlich auch in diesem Podcast wiederfinden könnten. Im Podcast aber nimmt er gern die Rolle des Ahnungslosen ein, das kitzelt die Gäste, weckt beim Gegenüber den inneren Erklärbär und macht, dass vieles in den Sendungen wirklich sehr genau und manchmal auch redundant erklärt wird. Claus Oellerking wiederum ist mir aufgefallen durch Porträts, die er geschrieben hat unter anderem für die Lokalzeitung hier – er hat mir gezeigt, wie vielfältig Schwerin ist, denn fast jeder beziehungsweise jede der Porträtierten kommt ursprünglich aus einem anderen Land. Und bringt deshalb ganz eigene Geschichten mit und macht unser kartoffeliges Schwerin etwas bunter. Die Texte sind auch online – auf der bemerkenswert gut gefüllten Seite www.menscheninschwerin.de. Claus Oellerking ist, so deute ich ein paar Hinweise aus den Sendungen, über 60 und jemand, der auch über den Podcast hinaus dafür lebt, dass die Welt, ich sags mal so salopp, etwas besser wird. Anders als Andreas Lußky kommt er hörbar nicht aus Mecklenburg – ein schöner Kontrast in der Moderation.
Besonders schön:
– wenn die Gäste den Raum nutzen, den die beiden eröffnen und gern auch etwas weiter ausholen
– wenn auch die Moderatoren ein bisschen was von sich gucken lassen
Bisschen schwierig:
– die schon angesprochene Ahnungslosigkeit, die Zurückhaltung, die beide in dieser Sendung leben – hier würde ich mir wünschen, sie nähmen den Gästen die eine oder andere Erklärung ab, würden ins Thema und die Personen etwas gezielter einführen. Die von den beiden gepflegte Methode funktioniert natürlich, sie macht, dass Gäste genau erklären, was sie von sich und ihrer Arbeit denken, kann aber in Ausgaben mit weniger medienerfahrenen Gästen, die nicht von sich aus die Bühne nutzen, auch einfach nur so wirken, als hätten sich die beiden Gastgeber nicht vorbereitet… Etwas mehr Mut zum eigenen Ego wäre schön… mein Eindruck.
Und sonst so:
Wie schon bei „Wasser marsch“ bin ich auch hier befangen – wie gesagt, Andreas ist mein Kollege – ich weiß von diesem Podcast schon lange, bin aber jetzt erst als Hörer eingestiegen. Was aber viel wichtiger ist fürs „Und sonst so…“: der ethische Ansatz. Zu sagen: wir machen einen Podcast, in dem wir unsere ganze publizistische Kraft dafür einsetzen, dass Themen, Menschen und Initiativen Aufmerksamkeit bekommen, die sich auf das Gemeinwohl konzentrieren, das ist wirklich fantastisch und deshalb sollte der Podcast auch in jedem gut sortierten Pod-Player einen Platz haben.
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